Schrefel (c) Kulisch

Magdalena Schrefel studierte nach längeren Arbeitsaufenthalten in Vukovar und Göteborg an der Universität Wien Europäische Ethnologie sowie Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Sie schreibt Theaterstücke, Hörspiele und Erzählungen.

Ein Berg, viele
2D / 4H

Es war einmal ein Geograf im England des 18. Jahrhunderts, der zerbrach sich den Kopf, weil er keine Erklärung dafür fand, warum der Niger an einer bestimmten Stelle einen Knick macht. Nach Monaten des Grübelns kommt er zu dem Schluss, dass es dort ein Gebirge geben muss, ein großes, das den Verlauf des Flusses lenkt. Kurzerhand zeichnet er es ein in die Karte des afrikanischen Kontinents und gibt ihm den Namen „Kong“. Erst 100 Jahre später wird ein weiterer Geograf darauf aufmerksam, dass es zu keiner Zeit ein solches Gebirge gegeben hat, niemand, der je den Niger bereist hätte, würde dort einen Berg gesehen haben. Die „Kong-Berge“ sind nichts als die Kopfgeburt eines Europäers, der mit seinem Zeichenstift ansetzt, um der Welt ein Bild von Afrika zu machen.
Mit Blick auf das Meer, auf Europa und auf die Grenzen, die, einst gezogen, nicht an Bedeutung eingebüßt haben, treffen sich zu einer anderen Zeit an einem „Berg Kong“ genannten Ort eine junge Europäerin und ein junger Afrikaner. Er wartet darauf, endlich den Sehnsuchtsort „Europa“ zu erreichen, während sie von dort kommt, um der Wahrheit über Afrika nachzuspüren. Da, wo die beiden sich begegnen, trifft wie Flutwellen der Gegenwart Traum auf Realität und bevor die Strömung sie mitreißt, halten sie sich fest an ihrer Erzählung von einer Welt, in der alles möglich ist.

Indem sie die Gegenwart von der Geschichte aus betrachtet, wirft Magdalena Schrefel einen scharfen Blick auf die Kolonialgeschichte und die Hybris der Menschen und erzählt dabei zugleich von der Kraft der Vorstellung, die keine Karten oder Grenzen kennt. Davon, wie aus einer Idee Wirklichkeit wird und wie eine Wirklichkeit vielleicht nur eine Idee war.

 

Keinland
(135 Bilder einer Ausstellung)

3D – 3H, Doppelbesetzung möglich

Jesolo und Adrian sind die letzten Menschen auf Thilafushi, der künstlich geschaffenen Entsorgungsinsel der Malediven. Früher waren sie viele, die hier sortierten, was die Feriengäste der Nachbarinseln hinterlassen haben. Dann wurde der Müll immer mehr und mehr und verdrängte die Arbeiter. Nun bleiben die Touristen aus, während der Meeresspiegel steigt. Bald schon wird das Wasser die letzten Inseln verschlungen haben und nur noch die höchsten Erhebungen, die Berge aus Abfall, werden daraus hervorragen. Zwar erobert sich die Natur unaufhörlich das von den Menschen Geschaffene zurück, doch durch die Unmengen von Plastik hat sich die Menschheit längst unsterblich gemacht. Wenn alles untergegangen sein wird, wird es der Plastikmüll sein, der diesen Wandel überdauert.
Zeitsprung: Eine Erlebnis-Ausstellung in nicht allzu ferner Zukunft widmet sich der Erinnerung an die Malediven. Mit viel Aufwand wird hier präsentiert, wie einst der Massentourismus entstand, wie eine paradiesische Lagune zur größten Müllkippe der Region wurde, wie das Klima sich veränderte und schließlich das Meer die gesamte Inselgruppe verschluckte. Original-Artefakte zeugen von der Zeit damals: eine Einwegtrinkflasche von 2020, Chipstüten, Rollkoffer, ein löchriges Gummiboot …

Mit Keinland entwirft Magdalena Schrefel eine Welt, in der die Folgen des Klimawandels und der Umweltverschmutzung, die heute beschworen werden, bereits Realität geworden sind. Es ist ein letzter Blick auf das, was vom 21.Jahrhundert übrig bleibt – wenn die Zerstörung von Lebensräumen so ungebremst weitergeht wie bisher.