Miroslava Svolikova, geboren 1986, studierte Philosophie in Wien und Paris, bildende Kunst an der Akademie der bildenden Künste Wien und szenisches Schreiben bei uniT Graz. Svolikova hatte verschiedene Ausstellungen, betreibt ein Musikprojekt, veröffentlicht in Anthologien und Literaturzeitschriften. 2015 gewann sie den Retzhofer Dramapreis für die hockenden. 2016 erhielt sie das Hans-Gratzer-Stipendium des Schauspielhaus Wien für Diese Mauer fasst sich selbst zusammen und der Stern hat gesprochen, der Stern hat auch was gesagt. 2017 waren beide Stücke zu den Autorentheatertagen Berlin eingeladen. Svolikova erhielt außerdem das literar mechana Dramatikerstipendium (2015), den Nachwuchspreis des Schiller-Gedächtnispreises (2016), den Hermann-Sudermann-Preis (2017) und das Dramatikerstipendium des Bundeskanzleramtes Österreich (2017).

Diese Mauer fasst sich selbst zusammen und der Stern hat gesprochen, der Stern hat auch was gesagt.
Europa war einmal. In einem futuristischen Museum stehen Reliquien aus einer Zeit, in der Mauern eine Rolle gespielt haben, Verträge, abgekaute Kugelschreiber, mit denen Verträge unterzeichnet wurden, oder die »scheue Institution«. Und das Hologramm ist der »Führer« in diesem Museum, in das ohnehin keiner mehr kommt. Oder doch: Drei Figuren, die einen Wettbewerb gewonnen haben und die wild entschlossen sind, eine Aufgabe zu übernehmen. Welche Aufgabe? Das ist die Frage. Und eine Putzkraft hat das Museum, die glaubt, sie sei die geborene Regisseurin. Und tatsächlich verliest sie ein umwerfendes poetologisches Programm.
Diesen Figuren also erklärt das Hologramm mit Verve und unter gewissem Zeitdruck die Vergangenheit oder das, was im Museum steht – und nein, von der historischen Käseplatte kann man sich nicht einfach so ein Stück abschneiden! Der Stern tritt auf, ein gefallener Stern, der etwas mit einer so genannten »onion« zu tun haben möchte. Beim Kochen denkt er über die Gesellschaft nach und stößt auf einen Zettel, der besagt: »Ihr müsst alle zusammenhalten.« Ebenfalls tritt auf: die Mauer, das ist eine alte Geschichte. Was sie zusammenhält, wen sie schon alles abgehalten hat, wen voneinander getrennt. Und auch der Speichel, der zu den »zukünftigen, vergangenen und kommenden generationen « spricht: »ich bin all die leichen, über die man drübergestiegen ist. ich bin der ganze rest. ich bin die schwielige hand, die alles aufgebaut hat, ich bin der blutende uterus, der alles geboren hat, ich bin das abgekopfte kalb und das zerstampfte huhn, ich bin das ermordete volk, ich bin das hergeschenkte leben, der umgeknickte halm und der strafzettel vom letzten jahr, ich bin immer da. (…) ich bin der teer der geschichte, ich bin ihr. ich bin viele.«
In einer Zeit, in der das Theater dringend politische Komödien braucht, hat Miroslava Svolikova eine absurde Abstellkammer der Geschichte entworfen. Ein Endspiel in einer Zeit zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, in der das Heute und Jetzt als fernes Licht aufscheint. Eine Farce, sprachlich verspielt, rhythmisiert, urkomisch. Versteht sich selbst, dass das Hologramm seine liebe Mühe hat, diese Geschichten zu erzählen.
Besetzung: variabel
Aufführungsrechte: Suhrkamp Theaterverlag
World Premiere: January 2017, Schauspielhaus Wien
Director: Franz-Xaver Mayr

die hockenden
Sie hocken in Pfützen, im Moder, in einer Mulde, und schwer ist es ihnen, sich daraus zu erheben. Sie waren immer schon da und sind es noch. Und gut, dass es sie gibt, sonst wüsste man nicht, was geschieht, auch wenn nichts geschieht, so braucht es doch jemanden, der davon erzählt. Das tun sie. Vielleicht haben sie mal auf dem Boden gestanden, aber jetzt sind sie eingesunken, und nur nah an der Erde finden sie noch Halt. Und in den Kneipen. Dort ist auch noch Platz für sie. Auch wenn die Kneipen ab und zu brennen. Das tun sie nicht selten. Doch was soll’s, schnell werden die Kneipen wieder aufgebaut, und dann brennen sie wieder, jahraus, jahrein. Manchmal stehen sie dabei und schauen, manchmal gehen sie auch weg. Sie kennen das schon. Kein Grund zur Sorge.
Doch es gibt einen, der läuft, einen, der an die Kneipen pisst und dann weggeht. Er ist besonders, er ist anders, das haben sie schon immer gewusst. In ihn setzen sie all ihre Hoffnungen. Er soll ihnen sagen, was die Zukunft bringt. Sie setzen sich zu ihm, wenn er in der Kneipe den Kopf auf die Arme stützt. Er soll ihnen erzählen. Aber er tut es nicht. Er schweigt. Er will nicht sprechen. Er trinkt.
Und einer hat’s vorausgesehen, dass dies nicht der Heilsbringer sein wird. Ein Alteingesessener. Jeder Schritt ist ein Schritt zu weit an diesem Ort, sagt er. Keiner darf den hier tun. Er durfte es auch nicht. Und so ist er stehen geblieben, hat sich hingehockt und legt sich nun nieder. Und bleibt, wo er schon immer war.
Besetzung: variabel.
Aufführungsrechte: Suhrkamp Theaterverlag
Uraufführung April 2016, Burgtheater Wien
Regie: Alia Luque