Robert Woelfl

Robert Woelfl wurde 1965 in Villach geboren, studierte an der Universität für angewandte Kunst in Wien und lebt seitdem hier als freier Schriftsteller. Für seine Theaterstücke erhielt er zahlreiche Preise, darunter den Reinhold-Lenz-Preis für neue Dramatik, den Autorenpreis der deutschsprachigen Theaterverlage und den Dramatikerpreis des Stadttheaters Klagenfurt. Für seine Videoessays erhielt er den Österreichischen Videokunstpreis. Robert Woelfl hat seit 2011 an der Universität für angewandte Kunst in Wien am Institut für Sprachkunst einen Lehrauftrag für Szenisches Schreiben und leitet seit mehreren Jahren die Hörspieltage Neulengbach in Niederösterreich.

Ressource Liebe
„Das Persönliche ist am produktivsten“ lautet einer der Zaubersprüche der aktuellen Managementpraxis. Nur das Persönliche erwirtschaftet den großen Gewinn. Aber dazu muss davor das Persönliche bewirtschaftet werden.
Am Anfang von „Ressource Liebe“ steht die Geschichte von Line: Line hat sich in ein Haus verliebt. Aber es ist nicht irgendein Gebäude, in das sie sich so Hals über Kopf verliebt hat, sondern es ist ihr Firmengebäude. Eigentlich wollte sie kündigen, weil sie von ihrer Firma ausgebeutet wird, aber jetzt geht das nicht mehr. Jetzt kann sie sich von dieser Firma nicht mehr trennen. Und seitdem sie wie wahnsinnig in dieses Gebäude verliebt ist, hat sie Angst, sie könnte gekündigt werden und dürfte danach das Gebäude nicht mehr betreten.
Die Behauptung lautet: Sich in ein Gebäude zu verlieben und mit diesem Gebäude Sex zu haben, ist auf alle Fälle besser als gar nichts mehr zu empfinden. Der Einsamkeit und Traurigkeit in den Bürotürmen zum Beispiel der großen Versicherungen oder Banken entkommt man nur, indem man liebt. Und wenn es keinen anderen Menschen gibt, der diese Liebe erwidern könnte, weil alle so erschöpft von ihren Weiterbildungsseminaren sind oder sich gerade für das nächste Meeting vorbereiten müssen, dann trifft die Liebe eben das Firmengebäude.
Es ist klar, dass jedes Unternehmen versuchen wird, diese Sehnsucht nach Liebe auszunützen. Die Sehnsucht nach Liebe soll sich in eine Sehnsucht nach Karriere verwandeln, die Sehnsucht nach Karriere in eine Sehnsucht nach hundertprozentiger Identifikation mit dem Unternehmen. Liebe und Sexualität sind schon längst nur mehr Werkzeuge zur Steigerung des Profits.
Lines Dilemma ist auch das Dilemma der anderen. Einer nach dem anderen im Stück nimmt den Faden auf, erzählt die Geschichte weiter, erzählt seine eigene Geschichte, auch um draufzukommen, ob das, was er da erzählt, eigentlich sein Leben ist. Das Erzählen ist eine Chance, sozusagen die zweite Chance, die einem das Leben gibt, um draufzukommen, was das Leben ist.
Was ist der Konflikt? Wo steckt er? Wo ist der Widerspruch? Schon vor einiger Zeit wurde der Widerspruch in uns hinein verlegt, damit wir ihn nicht sofort finden. Derjenige, der ihn in uns hinein verlegt hat, der profitiert bestimmt auch davon. Ganz bestimmt profitiert jemand von uns. Die Frage ist: Wenn andere so viel von mir profitieren, was kann ich selbst von mir profitieren? Kann ich von dem Dilemma, in dem ich stecke, profitieren? Tom sagt einmal im Stück: „Du befindest dich in einem Zustand von Unsicherheit. Diesen Zustand von Unsicherheit musst du gestalten.“
Am Ende muss es aber auch für eine Liebe, die eigentlich eine Depression ist, ein Happy End geben. Für eine Liebe, die nur mehr eine Schwachstelle ist, eine alte Tür, die sich nicht mehr reparieren lässt und durch die ständig jemand kommt, um uns zu bestehlen.
Besetzung: 3 D , 2 H
Aufführungsrechte: S. Fischer Verlag
Uraufführung: 2006, Staatstheater Stuttgart
Regie: Sebastian Röhrle

Überfluss Wüste
Sebastian und Finn, zwei Programmierer aus Stuttgart, fahren in die kalifornische Wüste zu einer Stelle mit dem Namen „Die Quellen der Unsterblichkeit“ in der Hoffnung auf einen genialen Einfall für ein neues Computerprogramm. Angeblich wird jeder, der an diesen einsamsten Ort in der Wüste kommt, mit einer phantastischen Idee belohnt. Alle großen Programmierer und Internetunternehmer sollen schon hier gewesen sein. Gleichzeitig wollen Sebastian und Finn etwas erleben, das sie bei ihrer Arbeit bei einem Automobilhersteller, wo sie Autos das Denken beibringen, nicht erleben können.
Während die beiden in der Wüste stehen und auf den genialen Einfall warten, taucht eine Frau, Zoe, auf, die erklärt, vor einiger Zeit an dieser Stelle die Idee zu einem neuen Programm gehabt zu haben. Mit diesem Programm könne man den Tag des Weltuntergangs berechnen. Nun sei sie hier, um Selbstmord zu begehen – wozu ihr das Programm geraten habe. Sebastian und Finn versuchen, Zoe den Selbstmord auszureden, auch weil sie auf keinen Fall Zeugen dieses Selbstmords werden wollen. Ganz im Gegenteil sind sie ja hierher gekommen, um etwas Positives zu erleben.
Kurz darauf erscheint ein Mann, Josh, den mit Zoe verbindet, dass die beiden einmal zusammen hier gewesen sind und einander hier einen Kuss gegeben haben. Josh ist ebenfalls Programmierer und arbeitet an einem Programm, das das Küssen und jede andere Form von Intimität überflüssig machen soll, kann aber diesen einen Kuss damals mit Zoe nicht vergessen und bittet Zoe darum, ihn noch einmal zu küssen.
Während dann um Hotdogs und Sonnencreme und das richtige Atmen in der Wüste und um die Qualität von Zoes Programm und um die Bedeutung eines Kusses gestritten wird, steigt Finn zu den „Quellen der Unsterblichkeit“ hinab, um das Geheimnis dieser „Quellen“ zu ergründen – was ihm natürlich nicht gelingt.
Zoe will sich auf keinen Fall von dem Vorhaben des Selbstmords abbringen lassen, weder von Sebastian und Finn noch von Josh. Als sie die Waffe ansetzt, um sich zu erschießen, beginnt es plötzlich sintflutartig zu regnen, hier, mitten in der Wüste, wo es nicht öfter als an einem einzigen Tag im Jahr regnet. Der strömende Regen erscheint wie der Weltuntergang.
Besetzung: 1 D, 3 H
Aufführungsrechte: S. Fischer Verlag