Über das Schreiben fürs Theater: Ich schreibe für die Körper. Und ich schreibe für das Sprechen. Das bedeutet eigentlich das Selbe und realisiert sich nur am Theater. Dort kehrt die Sprache zurück an den Ort ihrer Produktion, kehrt zurück in die Körper auf den Bühne um sich aus ihnen herauszukehren. Mein Text ist nur auf der Bühne. Nur als gesprochener und gespielter, verkörperter Text existiert er. Mein Schreiben möchte sich dem Sprechen und den Körpern hingeben, weil es als Schreiben selbst nichts ist, weil ihm keine Existenz zukommt, wenn es nicht in den Körpern ankommt und Heimat findet in ihnen, und wenn es nicht gleichzeitig genau dort – in den Sprecherinnen und Sprechern, den Spielerinnen und Spielern – eine Fremde einführt, die das Sprechen wiederum ausziehen lässt aus ihnen, ausziehen in die Veräußerung, im Kampf um Sinn und Sein.
Fabulamundi involved Ewald Palmesthofer in activities in Barcelona.
Ewald Palmetshofer wurde 1978 in Linz geboren und studierte in Wien Theologie und Philosophie/Psychologie auf Lehramt. 2007/08 war er Hausautor am Schauspielhaus Wien, wo er 2010 die Serie „Die X Gebote“ kuratierte. 2008 wurde er in der Kritikerumfrage von Theater heute zum Nachwuchsdramatiker des Jahres gewählt und erhielt den Dramatikerpreis des Kulturkreises der Deutschen Wirtschaft sowie eine Nominierung für den Nestroypreis in der Kategorie Bester Nachwuchs für das Stück „wohnen. unter glas“.Seine Stücke „hamlet ist tot. keine schwerkraft“ sowie „faust hat hunger und verschluckt sich an einer grete“ wurden 2008 bzw. 2010 zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen (UA 2007 bzw. 2009, Schauspielhaus Wien, Regie: Felicitas Brucker). Im Herbst 2010 wurde sein Stück „tier. man wird doch bitte unterschicht“ am Staatsschauspiel Dresden uraufgeführt (Regie: Simone Blattner). 2010/11 war Palmetshofer Hausautor und Gastdramaturg am Nationaltheater Mannheim und wurde 2011 mit dem Förderpreis der Stadt Wien in der Sparte Literatur ausgezeichnet. Sein neues Stück „räuber.schuldengenital“ wurde im Dezember 2012 in der Regie von Stephan Kimmig am Wiener Akademietheater uraufgeführt. Palmetshofer lebt in Wien.
Theaterstücke
2007 / Hamlet ist tot. keine schwerkraft (entstanden in Rahmen des Autorenprojekts wiener wortstaetten); UA: 2007, Schauspielhaus Wien, eingeladen zur Theaterbiennale des Staatstheaters Wiesbaden Neue Stücke aus Europa 08, zu den Mülheimer Theatertagen Stücke ´08 sowie zu den Autorentheatertagen am Thalia Theater Hamburg.
2008 / Wohnen. Unter glas; UA: 2008, Schauspielhaus Wien, eingeladen zum Heidelberger Stückemarkt 2008.
2008 / Das Ende kommt schon noch; UA 2008, im Rahmen der Serie Deutschlandsaga an der Schaubühne am Lehniner Platz, Berlin.
2009 / Helden; UA: 2009, Theater an der Ruhr.
2009 / Körpergewicht. 17%; UA: 2009, Nationaltheater Mannheim, ÖE: 2011, Schauspielhaus Wien.
2009 / Sauschneidn. Ein mütterspiel; UA: 2009, Theater am Lend, Graz
2009 / Faust hat hunger und verschluckt sich an einer grete; UA: 2009, Schauspielhaus Wien, eingeladen zu den Autorentheatertagen am Thalia Theater Hamburg 2009 und zu den Mülheimer Theatertagen Stücke 2010.
2009 / Herzwurst. Immer alles eine tochter; UA: 2009 im Rahmen der Serie Die X Gebote, Schauspielhaus Wien.
2010 / Tier. Man wird doch bitte unterschicht; UA: 2010, Staatsschauspiel Dresden, ÖE: 2011, Schauspielhaus Wien, eingeladen zu den Autorentheatertagen am Deutschen Theater Berlin.
2012 / Räuber. Schuldengenital; UA: 2012, Akademietheater Wien.
Hamlet ist tot. Keine schwerkraft
Hamlet ist tot. Keine schwerkraft befasst sich mit dem menschlichen Verkrampfen im Ungewollten, mit dem Stillstand in der Perspektivlosigkeit. Der Himmel ist leer. Das Naturgesetz höchstens ein lyrischer Witz. Und keine Politik jenseits der eigenen Befindlichkeit. In der totalen Ökonomisierung angelangt drehen sich die Achsen schnell, die Welt ist eine Zentrifuge und Sein oder Nichtsein verliert an Bedeutung, wenn das Nichtsein schon entschieden ist. Mit eindringlicher Komik verflicht Ewald Palmetshofer Sprache und Rhythmus zu einer Bedrohlichkeit, die letztendlich nur eine Frage offen lässt: Resignieren oder Agieren?
Personen: KURT – ein Vater / CARO – eine Mutter / OLI – ein guter Freund / MANI – ein Sohn / DANI – eine Tochter / BINE – eine gute Freundin
– Auszug aus dem ausgewählten Stück hamlet ist tot. keine schwerkraft –
Auszug aus hamlet ist tot. keine schwerkraft
MANI Seit Gott tot, ist der Himmel leer, aber nicht ganz, also fast leer, der Himmel, und drum kann man in einer allgemeinen Topographie des Himmels sagen, dass der Himmel selber zwar leer, aber als solcher, als leerer Himmel ist der Himmel eine Maschine, der Himmel ist leer aber eine Maschine und die Maschine, die der Himmel ist, die Maschine gibt die Zahl. Zweite These, Doppelpunkt, der Himmel ist eine Maschine und gibt die Zahl. Wie das Amt. So muss man sich das vorstellen. Der Himmel ist wie das Amt. Ist wie das Arbeitsamt zum Beispiel, nein, ist wie die Maschine am Arbeitsamt und gibt dir eine Zahl. Am Amt ziehst du dir aus der Maschine im Warteraum eine Zahl und beim Himmel ist das fast so ähnlich. Und wenn dir der Himmel eine Zahl gibt, dann kann man mit dir rechnen. Dann rechnet man mit dir, wenn du eine Zahl hast. Wenn dir der Himmel eine Zahl gibt, die Maschine, dann rechnet man mit dir, dann kann man mit dir rechnen, dann spielst du eine Rolle in der allgemeinen Rechnung der gegenwärtigen Situation, in der Ökonomie der Zukunft, im globalen Rechnungswesen der Gegenwart und in der zukünftigen Bilanz am Ende aller Geschäfte, am Ende der Zeit, am Ende der Welt, wenn dir der Himmel, die Maschine, wenn die dir eine Zahl
(…)
SZENE (19)
MANI jetzt haltet mal alle das Maul hier
verdammt nochmal
DANI wir verscheißen das gerade sowas von
wie man das alles so verscheißen kann
so eine verwichste Drecksscheiße hier
der Himmel ist eine Maschine
verdammte Arschloch-Drecksscheiße, verfickte
MANI ja, eine Maschine
hab ich schon am Anfang
DANI und die Maschine gibt dir eine Zahl
und es geht verdammt überhaupt nicht darum, was für eine Zahl du
bekommst vom Himmel
darum geht’s überhaupt nicht
es geht nur um das DASS
es geht nur um das DASS der Zahl, um das DASS der Rechnung
OB man mit dir rechnet, darum geht’s
ob du ein Teil der allgemeinen Rechnung
MANI ob du zur Menge der Elemente
ob du Teil der Menge der Elemente bist, mit denen in der Ökonomie der
Zukunft gerechnet
DANI verdammt genau darum geht’s
MANI ob du ein Teil des Ensembles, der Menge der Berechnung
DANI ob du auf der Achse
MANI ob du überhaupt auf der Achse der Zahlen
ob du eine Zahl auf der Achse, dem Zahlenstrahl, der Achse des Guten
DANI scheiß auf Achse des Guten
das ist verdammt nochmal scheißegal
Hauptsache eine Achse
solange du auf einer Achse, ist alles gut
MANI weil alles, was auf einer Achse
DANI verdammt scheißegal was für eine Achse
MANI alles, was auf einer Achse, spielt verdammt nochmal eine Rolle
DANI wenn du zum Ensemble
MANI zur Menge der Zahlen
nicht bestimmter Zahlen
zur Menge der Zahlen überhaupt
dann rechnet man mit dir
dann hast du eine Zukunft
DANI weil die Achse, der Zahlenstrahl, der geht immer in die Zukunft
geht von Null bis Unendlich, der Länge nach
bis Unendlich in die Zukunft
wenn du eine Zahl
dann hast du eine, eine Zukunft, verdammt
alles auf der Achse hat eine Zukunft und spielt verdammt nochmal eine
Rolle in dieser scheiß Zukunftsökonomierechnung
MANI und dann können sich die auf der Achse des Bösen nämlich freuen,
dass sie überhaupt auf einer Achse
dass sie überhaupt auf irgendeiner beschissenen Achse, und nicht auf
keiner
weil wenn du auf keiner Achse
wenn dir der Himmel
DANI der Himmel ist eine Maschine
MANI und wenn du auf keiner Achse
weil du keine Zahl vom Himmel
dann kommst du nicht vor
bist leider ein Überschuss, der nicht eingeht in die Rechnung
DANI du machst Mathematik
und daneben hast du ein Cola am Tisch stehen
und das rechnest du auch nicht in die Rechnung rein
das Cola am Tisch, verdammt nochmal
ja, ist ein blödes Beispiel
das mit dem Cola
weiß ich schon
aber hat keine Zahl
MANI und da gibt’s Tausende
Zigtausende gibt’s da
DANI Millionen
MANI ja, Millionen von anderen, die nicht auf der Achse und drum überhaupt
keine Rolle spielen
DANI und das muss ihnen doch verdammt auch einer sagen, dass der
Himmel eine Maschine
und sie halt leider keine Zahl und auf keiner Achse
MANI und drum leider ein vernachlässigbarer Überschuss
DANI ein exzessiver Rest
ein Zellüberschuss
ein Zellhaufen
ein halber Zellplanet
ein Karzinom im Verdauungstrakt der Welt
ein scheiß Karzinom
MANI ein ausgelagertes Kohlenwasserstoff-Depot
DANI ein organischer Zwischenspeicher
vielleicht für später, weiß man nicht
MANI und laut Massenerhaltungssatz ganz normal
weil da haben sich die Atome in der Wüste oder sonst wo halt gedacht,
da geh ich mal eine Verbindung ein, da geh ich mal eine
Kohlenwasserstoff-Verbindung
und mal bisschen organisch sein
DANI vielleicht als Speicher für später mal, weiß man nicht
und weiß auch die Maschine nicht
MANI die Maschine ist im strengen Sinne und nach eingehender Analyse
DANI nach verdammt eingehender Analyse
MANI die Maschine ist die Transzendenz
DANI die totale Transzendenz
und so transzendent wie die Maschine war Gott, glaub ich, nie
aber dafür jetzt die Maschine
viel transzendenter als Gott und eigentlich jetzt der totale Gott
MANI die totale Transzendenz
DANI nach eingehender Analyse steht am Ende der Entwicklungsgeschichte
MANI der Entwicklungsgeschichte der Religion
DANI und nach dem Tod Gottes
MANI am Ende steht da die Maschine